Burgen, Klöster und Kirchen im Gebiet der Herrschaft Greifenstein
Im Gebiet der ehemaligen Herrschaft Greifenstein beziehungsweise im oberen Echaztal zwischen den Orten Pfullingen und Honau lagen einst mehrere Burgen, Klöster und Kirchen des Mittelalters, die sich sowohl in der Verfügungsgewalt der Herren von Greifenstein befanden als auch in anderer Form mit diesen in Wechselwirkung standen. Im Folgenden werden die bedeutsamsten dieser Orte vorgestellt, denen zugleich im Rahmen des Greifenstein-Projekts besondere Aufmerksamkeit zukommen soll. Die hier vorgestellten Beschreibungen der einzelnen Anlagen spiegeln dabei vorrangig die Ausgangssituation beziehungsweise den Forschungsstand wider, wie er in der Anfangsphase des Projekts zusammengetragen werden konnte beziehungsweise wie er bis Ende 2021 ergänzt und erweitert wurde. Spätere Erkenntnisse können in diesem Rahmen weder berücksichtigt noch sukzessiv eingearbeitet werden. In Teilen werden diese projektbegleitend ( Publikationen), insbesondere aber in der Schlussphase des Forschungsprojekts in anderer Form präsentiert werden.
Burgstelle Unterer Greifenstein
Ruine Oberer Greifenstein
Burgstelle Hochbiedeck
Burgstelle Stahleck
Burgstein
Klosterwüstung „Brudersteig“
Johanneskirche Unterhausen
Kloster Pfullingen
St. Blasiuskirche Holzelfingen
Obere Burg Pfullingen
Rempenburg Pfullingen
Urselhochberg
Martinskirche Pfullingen
Ruine Alter Lichtenstein
Schloss Lichtenstein
Die hier vorgestellten Ausführungen basieren im Wesentlichen auf Recherchen und Ergebnissen des Promotionsprojekts „Burg und Kulturlandschaft – Beobachtungen zum soziokulturellen und topographischen Umfeld mittelalterlicher Adelssitze im Bereich der Mittleren Schwäbischen Alb“ ( Burg und Kulturlandschaft) sowie auf Voruntersuchungen im Rahmen des Greifenstein-Projekts.
Michael Kienzle
Weiteres zu den Burgen der Landkreise Reutlingen und Esslingen auf unsere-burgen.de
Burgstelle Unterer Greifenstein
Erstmals in der schriftlichen Überlieferung erscheint der Name der Burg im Jahr 1187, als ein Bertholdus de Grifinstain genannt wird, der damals unter den Zeugen einer Urkunde des Herzogs Friedrich von Schwaben auftritt. Kurz darauf finden 1191 ein Albertus und dessen Sohn Cu(o)no de Grifenstein Erwähnung. Möglicherweise waren diese Greifensteiner, deren Wappen einen auf drei Bergen stehenden Greifen zeigt, stammesverwandt mit dem älteren edelfreien Adelsgeschlecht „von Pfullingen“, wofür vor allem mehrfache Besitzüberschneidungen sprechen. Die in Folge oft bezeugten Greifensteiner treten bis in das frühe 13. Jahrhundert vorwiegend als Zeugen für die Pfalzgrafen von Tübingen und die Herzöge von Schwaben auf, später auch für die Grafen von Urach, die Herren von Neuffen oder die Grafen von Grüningen, Landau, Veringen und Württemberg.
Als Stammburg des Geschlechts dürfte die untere der beiden bei Holzelfingen liegenden Greifensteiner Burgen fungiert haben, deren Erbauung der Fundkeramik nach in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts anzusetzen ist. Weitgehend ungeklärt ist bislang, warum die Greifensteiner unmittelbar neben diesem Adelssitz im 13. Jahrhundert mit dem Oberen Greifenstein eine weitere Burganlage errichteten.
Die Herren von Greifenstein hatten um ihre Stammburg herum eine kleine, aber scheinbar gut ausgebaute Herrschaft errichtet, die sich innerhalb des Echaztals sowie beidseitig auf den angrenzenden Hochflächen erstreckte. Ihrem Gefolge scheinen mehrere ritterliche Dienstmannen und Ministeriale angehört zu haben, die sich anhand der historischen Überlieferung – ebenso wie deren Herrschaftssitze – aber nur vage greifen lassen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen dann mehrere Güterverkäufe und Schenkungen der Greifensteiner auf, die möglicherweise bereits damals vermehrt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sein könnten. Zudem scheint sich eine zunehmende Konfliktsituation mit der nahen Reichsstadt Reutlingen herausgebildet zu haben, nicht zuletzt in Hinblick auf die durch das Echaztal verlaufenden Verkehrswege. Während des Reichskriegs um das Jahr 1311 gehörten die Greifensteiner Burgen jedenfalls zu den Hauptangriffszielen des Reutlinger Aufgebots. Der damalige Krieg, in dessen Verlauf neben dem Stammsitz Greifenstein vermutlich auch die Burg Hochbiedeck, das nicht weit entfernte Haideck sowie die beiden Lichtensteiner Burgen im Echaztal zerstört wurden, scheint zum fortschreitenden Niedergang der Greifensteiner geführt zu haben. Auch mit dem Kloster Pfullingen kam es in den Folgejahren zum Streit um Besitzrechte, gefolgt von militärischen Auseinandersetzungen. Im Jahr 1355 schließlich verkaufte der Ritter Swigger von Greifenstein seine gesamte Herrschaft Greifenstein mit allem Zubehör an das Haus Württemberg. Mit diesem letztmals 1367 bezeugten Swigger scheint das Geschlecht im Mannesstamm erloschen zu sein.
Die Burg selbst blieb Ruine und wird 1596 von dem schwäbischen Historiker Martin Crusius als eine „einen Kanonenschuß von Holzelfingen jenseits des Zellerthals gelegene Burg, von der man nur noch Gräben sieht“ beschrieben. In späteren Jahrhunderten blieb die Erinnerung an die Greifensteiner in Form von Sagen und Erzählungen über „grausame Raubritter“ erstaunlich lebendig. Letztere prägen das Bild jener Herrschaft bis heute stark.
Die untere Burg Greifenstein lag auf einem nach Westen ausgerichteten Felssporn etwa 200 m oberhalb der Talsohle des Zellertals, knapp 1,5 km nördlich von Holzelfingen. Die Burgstelle lässt noch Gräben und künstlich geschaffene Verebnungen im Gelände erkennen, weist jedoch kaum mehr obertägig vorhandenen Mauerbestand auf. Unmittelbar hinter dem vorderen Halsgraben zeichnet sich ein erhöht liegendes, etwa viereckiges Vorburgareal ab, das wohl als erstes Annäherungshindernis, zugleich aber auch als Standort von Ökonomiegebäuden gedient haben dürfte. Dahinter folgt der Hauptgraben der Burg, hinter dem sich der steilwandige Burgfelsen erhebt, auf dem sich mehrere separate Bereiche unterscheiden lassen. Ein Baukörper muss sich auf diesem zumindest dort befunden haben, wo sich neben einer verebneten Fläche auch schwach erkennbare Balkenlöcher in der anstehenden Felswand abzeichnen. Auf einen beheizbaren Wohnbau am spornseitigen Ende des Burgfelsens, wo sich ebenfalls eine künstlich verbebnete Fläche findet, verweisen zudem Lesefunde von Ofenkeramik des 13. Jahrhunderts. Wie genau die Bebauung dieses Burgfelsens während des Mittelalters in ihrer Gesamtheit ausgesehen haben könnte, lässt sich bislang aber nur vage erahnen. Vermutlich befanden sich dort mindestens zwei größere Baukörper, von denen wenigstens der grabenseitige wohl als höheres wehrhaftes Gebäude ausgeführt gewesen sein dürfte. Ein noch etwa 2 m hohes Stück Kernmauerwerk am südwestlichen Ende des Burgfelsens und geringfügig erhaltene Reste von Kleinquadermauerwerk nördlich unterhalb davon verweisen außerdem darauf, dass der längliche Felsen ringsum ummauert war. Die zumeist nur schwach erkennbaren Geländespuren lassen allgemein eine deutlich umfangreichere Gesamtanlage vermuten, als dies bislang angenommen wurde. Spornseitig verweist eine trapezförmige Mulde mit künstlich abgearbeiteter felsiger Rückwand auf ein weiteres ehemaliges Gebäude, bei dem es sich der Ausformung und der topographischen Situation nach vielleicht um einen Turm gehandelt haben könnte.
Nur etwa 100 m ostseitig oberhalb dieses unteren Herrschaftssitzes befand sich am Übergang des felsigen Sporns in die anschließende Hochfläche die zweite Burg Greifenstein. Beide Anlagen befanden sich in strategisch günstiger Lage oberhalb der alten Holzelfinger Steige sowie des alten durch das Zellertal verlaufenden Verkehrswegs. Archäologisch erfassbare Relikte alter Landnutzung, die sich unterhalb der Burg auf einer Geländestufe finden, verweisen auf eine während des Mittelalters grundsätzlich anders ausgestaltete Nutzung dieses heute vollständig bewaldeten Areals.
Michael Kienzle, September 2021
Ruine Oberer Greifenstein
Nachdem mit einem Bertholdus de Grifinstain, der im Jahr 1187 unter den Zeugen einer Urkunde des Herzogs von Schwaben Erwähnung findet, erstmals die Familie der Greifensteiner nachweisbar wird, hatten sich diese bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts am Unteren Greifenstein eine erste Burganlage errichtet. Anfang des 13. Jahrhunderts erbauten sie mit dem Oberen Greifenstein nur etwa 100 m oberhalb davon eine weitere Burg. Welche Beweggründe der Entstehung dieses zweiten, unmittelbar benachbarten Adelssitzes zugrunde lagen, lässt sich bislang nur vage erahnen. Zwar beschrieb der schwäbische Historiker Martin Crusius diese obere Anlage gegen Ende des 16. Jahrhunderts lediglich als eine Art vorgeschobene „Warte der Wächter“, jedoch verweisen Funde von Qualitätskeramik, Ofenkacheln und weiterer Ausstattungsteile auf eine gehobene, adelige Bewohnerschicht. Zerstört wurden die beiden Greifensteine schließlich vor dem Hintergrund der Verheerungen des Reichskriegs 1311 durch ein Reutlinger Aufgebot.
Die Burg Oberer Greifenstein blieb daraufhin Ruine und wird 1596 von Crusius als eine „einen Kanonenschuß von Holzelfingen jenseits des Zellerthals gelegene Burg, von der man nur noch Gräben sieht“ beschrieben. Auch das Landbuch von 1624 nennt sie nur noch als einen „alten Burgstall“. In späteren Jahrhunderten blieb die Erinnerung an die Greifensteiner aber erstaunlich lebendig, vorrangig in Form von Sagen und Geschichten über „grausame Raubritter“, die bis heute das Bild jener Herrschaft prägen. Bereits 1893 fanden an der Ruine umfangreiche Grabungsarbeiten statt, die federführend durch den Schwäbischen Albverein durchgeführt wurden. Auch in der Folge kam es mehrfach zu Freilegungsarbeiten und Restaurierungsmaßnahmen. Den großzügigen Aufmauerungen beziehungsweise Ergänzungen dieser Zeit verdankt die Anlage im Wesentlichen ihr heutiges Erscheinungsbild.
Die Burg Oberer Greifenstein erhob sich in exponierter Lage auf einem von der Hochfläche hervorspringenden Felsen gegenüber der alten Holzelfinger Steige. Feldseitige ging das Gelände relativ ebenerdig in die angrenzende Hochfläche über und bot somit kaum natürlichen Schutz. Diesen gewährte ein etwa 7 m breiter und heute ungefähr 2 m tiefer hufeisenförmiger Halsgraben. Über diesen führte eine Brücke durch ein noch in Resten zu erschließendes Tor in das Innere der Burg. Dort finden sich linkerseits die Grundmauern eines fünfeckigen Baukörpers mit auffallend starken Außenmauern, abgerundeter Nordostecke und markanten Tuffquadern am südöstlichen Eckbereich. In diesem sind wohl die Reste eines wehrhaften Gebäudes oder eines turmartigen Bauwerks auf der gefährdeten Angriffsseite zu sehen. Westlich des Burgtores schloss sich die 1,60 m starke Umfassungsmauer aus Bruchstein an, die einen etwa 12 x 24 m großen „Hofbereich“ umfasste, dessen Innenbebauung bislang weitgehend unklar bleibt. 1893 fanden sich dort „viele Brandreste und Spuren, die auf Überbauung der nördlichen Hälfte des Hofes hinweisen“. Eine solche scheint sich auch heute noch anhand vorhandener Geländespuren plausibel herleiten zu lassen. Weitgehend unklar bleibt die Baustruktur der Burg im Bereich der Spornspitze des Burgfelsens, wo vermutlich ein weiteres einstiges Gebäude vorauszusetzen ist. Die starke Überprägung der Ruine beziehungsweise die zahlreichen Veränderungen jüngerer Zeitstellung erschweren die Rekonstruktion des tatsächlichen Aussehens der ursprünglichen Burganlage beträchtlich.
Eine weitere Umfriedung scheint etwa 14 m im Vorfeld des Halsgrabens um die Burg verlaufen zu sein. Dort lässt sich nahe der modernen Schutzhütte das Relikt eines stark verflachten Grabens erkennen. Offenbar wies auch die dahinter anzunehmende Vorburg zumindest teilweise eigenen Baubestand auf. Hierauf deuten etwa zwei Mulden innerhalb des Areals sowie einige Streufunde. Es ist anzunehmen, dass dort einst leichte Wirtschaftsbauten sowie weitere der burgeigenen Ökonomie dienende Strukturen Platz fanden.
Michael Kienzle, September 2021
Burgstelle Hochbiedeck
Ein eindeutig zuzuordnender Burgname sowie zugehöriger Adel sind für die kleinräumige Anlage auf dem Imenberg bei Unterhausen bislang nicht belegt. Vermutlich handelt es sich jedoch bei der dort im Gelände erkennbaren Burgstelle um die lange nicht lokalisierbare, von dem ehemaligen Pfullinger Archivar Wilhelm Kinkelin seinerzeit dort verortete Burg „Hochbiedeck“. Diese Bezeichnung erscheint erstmals im Jahr 1595 bei dem schwäbischen Historiker Martin Crusius, als jener im Zusammenhang mit den Greifensteiner Burgen von einer Vicina arx, dicta Hochbidegga berichtet, also von einer „benachbarten Burg Hochbiedeck“, die den Herren von Greifenstein gehört haben soll. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war deren Position weitgehend unklar, jedoch hatte man bereits damals die markanten Gräben auf dem Imenberg als Relikte früherer Befestigungsanlagen erkannt.
Die spärlich vorhandenen Lesefunde machen eine Entstehung der Anlage in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich. Dabei lässt die äußerst geringe Fundmenge ohne jegliche Qualitätskeramik eine Funktion als eigenständiger Adelssitz fraglich erscheinen. Zu klären wäre, ob die kleine Anlage hoch über dem Echaztal primär als vorgelagerte „Warte“ gedient haben könnte. Im Jahr 1311 schließlich dürfte diese zusammen mit den Greifensteiner Burgen im Reichskrieg zerstört worden sein.
Die Burgstelle befindet sich zwischen „Zellertal“ und „Staufental“ auf dem weit hervorspringenden „Imenberg“, etwa 1,5 km nordöstlich des Dorfkerns von Unterhausen. Zwei markante Befestigungsgräben durchschneiden den nur etwa 3,5 m breiten Spornrücken. Spuren dahinter situierter Befestigungen sind im Falle beider Gräben nicht zu erkennen. Der eigentliche Burgplatz lässt eine Untergliederung des Areals in drei verebnete Flächen erahnen, die jeweils von zwei felsigen Erhöhungen separiert werden, die wohl als Relikte ehemaliger Bauten anzusprechen sind. Da sich weder eindeutige Reste von Steinbauten noch solche einer Ummauerung erkennen lassen, muss zumindest in Erwägung gezogen werden, dass die gesamte Burganlage möglicherweise nur aus Holz- beziehungsweise Fachwerkbauten bestanden haben könnte. Abschließende Aussagen hierzu sind bislang aber nicht zu treffen. Die kleine Anlage scheint außerdem über eine zusätzliche Befestigung verfügt zu haben, die sich etwas tiefer liegend in Form eines zwingerartigen Geländeabsatzes nachvollziehen lässt. Wo genau der Zugang zu der Burg auf dem Imenberg verlief, lässt sich nicht eindeutig erkennen. Vermutlich führte dieser durch das Staufental hinauf und dann über den schmalen Spornrücken zur Burg.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Burgstelle Stahleck
Eine auf Burg Stahleck ansässige Adelsfamilie wird möglicherweise erstmalig am 26. April des Jahres 1254 greifbar, wenn ein Cunradus de Stahelekke als Zeuge in einer Urkunde Graf Ulrichs von Württemberg genannt wird. Zwar ist die Zuordnung jenes Konrad umstritten, jedoch verweisen einige im selben Zusammenhang genannten Zeugen durchaus auf einen Bezug zu der bei Lichtenstein gelegenen Burg. Im Jahr 1304 war dann eine Angehörige der Stahlecker Familie Nonne im nahen Kloster Offenhausen und am 16. April 1322 erscheint ein Dietrich von Stahleck in der historischen Überlieferung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte es sich bei der wohl niederadeligen Familie der Stahlecker um ritterliche Lehensleute beziehungsweise Ministeriale der Herren von Greifenstein gehandelt haben. Der Fundkeramik nach dürfte Burg Stahleck spätestens von der Mitte des 13. bis ungefähr zur Mitte des 14. Jahrhunderts bewohnt gewesen sein, wobei eine Erbauung wohl schon in der ersten Jahrhunderthälfte angenommen werden kann. Vor welchem Hintergrund die Burg schließlich aufgegeben wurde, bleibt ebenso wie deren potentielle Verwicklung in die kriegerischen Ereignisse des Reichskriegs 1311 bislang weitgehend unklar. Jüngst durchgeführte archäologische Ausgrabungen erbrachten jedenfalls Hinweise auf mehrere separate Bauphasen sowie eine Brandkatastrophe bislang noch nicht eindeutig geklärter Dimension und Zeitstellung.
Burg Stahleck liegt auf einem nach Westen vorspringenden steilwandigen Burgfelsen hoch über dem Zellertal am Rand der Hochfläche etwa 2 km nordöstlich von Holzelfingen. Feldseitig wurde sie gegen das flach anschließende Gelände durch einen heute stark verfüllten, abgewinkelten Halsgraben geschützt. Hinter dem Graben befindet sich als Rest einer Umfassungsmauer ein steindurchsetzter Schuttwall, in dem Reste von Fundamentmauerwerk stecken. Die etwa dreieckige Kernburg umfasst eine Fläche von rund 22 x 25 m. Ihre heute auffallend ebene Fläche verdankt sie höchstwahrscheinlich einer späteren Planierung.
Spuren der einstigen Innenbebauung sind obertägig kaum noch erkennbar. Jedoch lassen sich stellenweise undeutliche Relikte von Mauerzügen im Untergrund ausmachen. Hohlziegelbruch und gebrannte Lehmbrocken sowohl im Hangschutt als auch auf der Burgfläche verweisen zusätzlich auf einstmals vorhandene Bauten innerhalb des Kernburgareals.
Der Oberamtsbeschreibung von 1824 zufolge sollen zu jener Zeit noch „Reste der Burg“ vorhanden gewesen sein, die aber schon im Jahr 1902 offenbar nicht mehr erkennbar waren. Bereits 1925 war der gesamte Platz eingeebnet und nur noch der Graben sichtbar. Im Zuge der archäologischen Ausgrabungen im Sommer und Herbst 2021 konnten schließlich an mehreren Stellen im Kernburgareal Reste von Fundamentmauerwerk eines rund 10 x 10 m messenden, im Untergeschoss zweigeteilten Hauptgebäudes der Burg erfasst werden, bei dem es sich wohl um den Wohnbau des Burgherren handelte.
Im Vorfeld der Anlage zeichnet sich anhand schwach erkennbarer Geländespuren sowie zahlreicher Streufunde ein größeres Vorburgareal ab, welches einst der Aufnahme ökonomischer Strukturen verschiedener Art gedient haben dürfte. Zugleich könnte dieses als zusätzliches Annäherungshindernis fungiert haben, auch wenn konkrete Hinweise auf entsprechende Befestigungsanlagen bislang nicht ermittelt werden konnten. Die archäologisch erfassten Befunde verweisen auf mindestens ein größeres, offenbar in Holzbauweise errichtetes Gebäude des Spätmittelalters an dieser Stelle, dessen Wohnkomfort durch das Vorhandensein eines Kachelofens des 14. Jahrhunderts gewährleistet war. Dieses dürfte schließlich einem größeren Brandereignis zum Opfer gefallen sein.
Im Vorfeld der Burgstelle liegt innerhalb einer geräumigen Rodungsinsel der heutige Stahlecker Hof. Dieser wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut, geht also nicht wie teils angenommen auf einen mittelalterlichen Wirtschaftshof zurück. Dennoch ist anzunehmen, dass zumindest Teile der dortigen Flächen bereits während des Mittelalters von der Burg aus agrarwirtschaftlich genutzt wurden. Fast unterhalb der Burg führte eine alte Steige vom Echaztal auf die Hochfläche.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Klosterwüstung „Brudersteig“
Die Anlage befindet sich im hinteren Teil eines tief eingeschnittenen Seitentals der Echaz auf einer Terrassierung in Halbhöhenlage am Fuße einer Felswand. Bislang meist als „bescheidene Waldklause“ eingeschätzt, dürfte die ehemalige klerikale Niederlassung Lesefunden nach einst einen durchaus beachtlichen Baubestand sowie eine gehobene Ausstattung aufgewiesen haben. Eine erste Untersuchung des Geländereliefs Ende 2019 ergab Hinweise auf die Position ehemaliger Bauten innerhalb des etwa 30 x 70 m messenden Areals. Im Hanganriss eines Holzabfuhrwegs zeichnete sich der Verlauf einer potentiellen Umfassungsmauer ab, der kaum dem Bild einer einfachen „Klause“ zu entsprechen schien. Bereits in den 90er Jahren war der offenbar reiche Fundniederschlag innerhalb des Areals aufgefallen. Reste ehemaliger Gebäude waren der ortsgeschichtlichen Literatur nach noch vor rund 100 Jahren obertägig erhalten. In der Überlieferung wird das „Bruderhus“ erstmals 1521 genannt, findet 1534 erneut als „Nollbruderhaus“ Erwähnung und scheint bald daraufhin abgegangen zu sein. 1558 wird berichtet, dass in dem „Waldbruderhaus im Hausemer Tal zu Stahleck“ vormals noch drei Brüder gelebt hätten, was zumindest auf die Nutzungsintensität während der Endphase der Anlage schließen lässt. Wie weit deren Entstehung aber tatsächlich zurückreicht und inwiefern die erst spät einsetzende fragmentarische Überlieferung möglicherweise primär eine Sekundärnutzung anzeigt, bleibt bislang weitgehend unklar. Der ersten Sichtung der Fundkeramik nach dürften die Anfänge der Anlage zumindest im Laufe des 14. Jahrhunderts, vielleicht sogar noch im ausgehenden 13. Jahrhundert zu suchen sein.
Im Zuge archäologischer Untersuchungen im Sommer 2020 konnte eine Umfriedung des Areals durch eine knapp 1 m starke Umfassungsmauer aus großformatigen Kalksteinquadern erfasst werden, dazu sorgsam gesetzte Steinplattenböden und die Grundmauern eines Gebäudes, vielleicht sogar eines Sakralbaus, die im Zentrum der Anlage unter rund 2 m starken Sinterschichten verborgen lagen. Die überaus reichhaltige Sinterbildung steht in engem Zusammenhang mit mehreren kontinuierlich schüttenden, angeblich nie versiegenden Quellen, die am Fuß einer Felswand entspringen und deren klares und reines Wasser unter der ansässigen Bevölkerung teils besondere Wertschätzung erfährt. Innerhalb des Areals befanden sich den neuesten Erkenntnissen nach vermutlich mehrere separate Gebäude, die über massive Mauern aus Kalk- und Tuffstein, hochwertige Kachelöfen und Ziegeldeckung sowie eine aufwendige Fensterverglasung verfügten und somit an dem geläufigen Bild des „einfachen“ Waldbruderhauses zweifeln lassen.
Die lokale Überlieferung bringt die Niederlassung im Zellertal zudem in einen unmittelbaren Zusammenhang mit den edelfreien Herren von Greifenstein. Der Sage nach soll es ein Vertreter jener Familie gewesen sein, der – nachdem er zuvor von einer längeren „Reise in das gelobte Land“ zurückgekehrt war – als „frommer und vom Volk geliebter Mann“ eine maßgebliche Rolle bei der Gründung der Niederlassung im „Zellertal“ spielte.
Michael Kienzle, August 2021
Burgstein
Ob auf dem „Burgstein“ bei Holzelfingen jemals eine Burg stand, blieb in der Forschung bis heute umstritten. Galt eine solche früher fast schon als gesichert, wurden vor allem in der jüngeren Forschung eher kritische Stimmen laut. Dennoch sind einige auffällige Hinweise vorhanden. So finden sich etwa die markanten Flurnamen „Burgholz“ und „Burgholzäcker“. Sowohl die Bezeichnungen „Burgholz“ als auch „Burgstein“ sind bereits im Lagerbuch von 1454 nachweisbar. Auch der schwäbische Historiker Martin Crusius berichtet 1596, wenn er auf das Dorf Holzelfingen zu sprechen kommt, von einer solchen Burg auf dem Burgstein, die den Greifensteinern gehört haben soll. Auffällig sind auch die vorhandenen Geländespuren, die – obwohl wenig deutlich ausgeprägt – insgesamt doch eine anthropogene Umgestaltung des Areals vermuten lassen. Bis zur Durchführung einer gezielteren archäologischen Untersuchung sind bislang allerdings kaum konkretere Aussagen zu treffen.
In dem nicht weit entfernten Dorf Holzelfingen lässt sich Ortsadel erstmals im frühen 13. Jahrhundert belegen. Vermutlich waren diese bis in das 14. Jahrhundert hinein agierenden Herren von Holzelfingen Ministeriale derer von Greifenstein. Ob ein Zusammenhang dieser Familie mit einer potentiellen Burganlage auf dem Burgstein bestehen könnte, muss bislang völlig offen bleiben.
Der markante Burgstein erhebt sich etwa 600 m nordwestlich von Holzelfingen rund 230 m hoch über dem Echaztal. Er bildet nach Westen und Norden nahezu senkrecht abfallende hohe Felswände aus, wird südseitig allerdings nur von einem relativ sanft abfallenden Hang begrenzt. Gegenüber der ostseitig anschließenden, relativ ebenen Hochfläche besteht kaum ein Höhenunterschied. Unmittelbar im Vorfeld verläuft heute die moderne Straße zum Sportplatz. Der obertägig erkennbare Geländebefund ist insgesamt wenig aussagekräftig. Eindeutig auf eine Burg verweisende Spuren fanden sich bislang nicht. Jedoch sind mehrere schwach ausgeprägte, durchaus auffällige Anomalien im Gelände auszumachen, die eine einstige Bautätigkeit an diesem Platz vermuten lassen.
Die Reutlinger Oberamtsbeschreibung von 1824 berichtet außerdem, dass unter dem Felsen ein gemauertes Gewölbe zu finden sei, das tief in den Berg hineinführe und der Sage nach Teil eines unterirdischen Gangs unter der Echaz hindurch sein könnte. Bereits 1893 konnte hiervon aber nichts entdeckt werden.
Bereits 1925 wurde festgestellt, dass von einer Burg am Burgstein „nicht einmal mehr ein Graben zu sehen sei“. Ein solcher soll aber damals schon „vor etwa 40 Jahren“ eingeebnet und auch viele Bausteine zum Straßenbau weggeführt worden sein. Basierend auf den schwach erkennbaren, aber doch auffälligen Geländebefunden vor Ort sowie den anhand der historischen Überlieferung gegebenen Hinweisen muss eine potentielle Burganlage an dieser Position durchaus in Erwägung gezogen werden. Fundierte Nachweise hierzu fehlen allerdings bislang.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Johanneskirche Unterhausen
Lange Zeit wurde die Entstehungsgeschichte des ersten Kirchenbaus in Unterhausen insbesondere von Seiten der Lokalforschung um die Mitte des 10. Jahrhunderts verortet. Man vermutete in dem Keller der heutigen Sakristei eine Krypta jener Zeitstellung und damit eine sehr frühe Entstehung des ersten Sakralbaus an dieser Position. Später soll der Kirchturm dann während des 12. Jahrhunderts als Wehrturm genutzt worden sein und als Teil des Greifensteiner Burgensystems fungiert haben. Neuere bauarchäologische Forschungen konnten hierfür jedoch keinerlei Indizien liefern und müssen somit das althergebrachte Geschichtsbild deutlich korrigieren.
Wahrscheinlich erst im späten 14. Jahrhundert entstand – aktuellen bauarchäologischen Untersuchungen nach – der aus Tuffsteinquadern gemauerte Chorturm. Dieser diente wohl von Beginn an als rein sakraler Baukörper und lässt keinerlei klar ansprechbare wehrspezifische Elemente erkennen. Im späten 15. Jahrhundert erhielt der Chorraum im unteren Teil des Turms durch den Einbau eines spätgotischen bunt bemalten Sternengewölbes einen gänzlich neuen Charakter. Die dort vorhandenen älteren – heute wieder sichtbar gemachten – Fresken von 1430 erfuhren in diesem Zuge allerdings keine Beachtung und wurden zeitweise überprägt. An den Turm schloss ein spätmittelalterliches Schiff in gleicher Breite an, welches im späten 16. Jahrhundert einen grundlegenden Umbau und eine Norderweiterung erfuhr. Erst um das Jahr 1500 scheint die Sakristei mit ihrem Kreuzrippengewölbe erbaut worden zu sein. Die angeblich bis ins 10. Jahrhundert zurückreichende „Krypta“ darunter entstand als Beinhaus aller Wahrscheinlichkeit nach sogar erst im 17./18. Jahrhundert. Eine letzte Aufstockung des Turms erfolgte schließlich im 19. Jahrhundert und mehrere Umbau- und Renovierungsmaßnahmen jüngerer Zeit, darunter eine Erweiterung der Sakristei nach Westen, gaben dem Kirchenbau sein heutiges Aussehen.
Erwähnenswert ist die mittelalterliche Kirchhofmauer, die zumindest in Teilen in das ausgehende 13. Jahrhundert zurückgehen dürfte und die stellenweise noch den alten Wehrgang erkennen lässt. Wie an der Kirche selbst, führten auch an dieser zahlreiche jüngere Ergänzungen und Ausbesserungsmaßnahmen zu einer weitreichenden Überprägung des ursprünglichen Charakters.
Inwieweit die Herren von Greifenstein neben ihrem umfangreichen Besitz in Unterhausen auch über die Kirche verfügen konnten, zeichnet sich anhand der historischen Überlieferung bislang nur vage ab. Vielleicht hatten sie diese, wie etwa auch eine 1289 genannte Brühlwiese bei Hausen, zeitweise von den Grafen von Veringen zu Lehen. Letztere jedenfalls verkauften 1331 den „Widemhof“ zu Hausen an den Reutlinger Priester Hugo Spechtshart, dessen Neffe Konrad ihn 1360 erneut mitsamt dem Kirchsatz und der Vogtei der Kirche veräußerte.
Michael Kienzle, November 2021
St. Blasiuskirche Holzelfingen
Eine Kirche in Holzelfingen ist erstmals eindeutig für das Jahr 1275 belegt. Wann genau aber der erste, wahrscheinlich ältere Kirchenbau an jener Position entstand, bleibt bislang weitgehend unklar. Der noch erhaltene spätgotische Chor stammt wohl aus dem Jahr 1494. Er zeigt im Gewölbe mehrere Wappenschilde, darunter eines mit einem aufrecht stehenden, rechts gewandten Greifen. Vielleicht geht dieses auf den Freiherren Ludwig Wirtemberger zurück. Dieser hatte als unehelicher Sohn Graf Eberhards I. „im Bart“ von Württemberg nach 1493 von seinem Vater den Titel eines Freiherren von Greifenstein erhalten. Von dem ursprünglichen Wappen der in Holzelfingen nur bis 1355 agierenden Greifensteiner, das stets einen auf allen Vieren schreitenden Greifen zeigt, unterscheidet sich dieses allerdings deutlich.
Das mehrfach erneuerte Schiff des Kirchenbaus zeigt wenig bauliche Auffälligkeiten. Es wurde nachweislich 1889 renoviert und 1909 im Jugendstil umgebaut. Der Turm soll einer Notiz der Pfarrbeschreibung nach im Jahre 1699 erbaut worden sein, könnte möglicherweise im Kern aber weiter zurückreichen. Auch er wurde 1886 umfassend erneuert. Umfangreichere Veränderungen scheinen im vorigen Jahrhundert auch im Inneren des Chors vorgenommen worden zu sein.
Von Seiten der Lokalforschung wird in der Holzelfinger Kirche die Grablege der Herren von Greifenstein vermutet, deren Stammburg nicht weit davon entfernt lag. Ein noch vorhandener, sogenannter „Greifensteiner Grabstein“ entzieht sich jedoch aufgrund späterer Überprägung einer konkreteren Zuordnung. Auf diesem findet sich, umrahmt von einem äußeren Schriftzug in gotischer Schrift aus dem Jahr 1494, im mittleren Teil ein im Jahr 1717 durch den Holzelfinger Pfarrer Sehner zum Grabdenkmal für dessen Töchter umgestalteter Bereich. Weitere „Greifensteiner“ Grabsteine, von denen ältere Texte noch wissen wollen, sollen einst im Kirchhof vorhanden gewesen sein, waren aber der alten Oberamtsbeschreibung nach bereits 1823 nicht mehr auffindbar.
Bis in das Jahr 1404 hatten die Grafen von Landau das Patronat der Holzelfinger Kirche inne, verkauften dieses dann jedoch an den Reutlinger Bürger Haintz Spiegel. Wie weit jene Rechtsverhältnisse möglicherweise zurückreichen und ob diese ihren Ursprung 1355 in dem Übergang der Herrschaft Greifenstein an Württemberg hatten, bleibt ungewiss. Ebenso unsicher ist, inwiefern die Herren von Greifenstein, die nachweislich umfangreiche Rechte und Besitz in Holzelfingen innehatten, vielleicht bis in das 14. Jahrhundert hinein über die dortige Kirche verfügen konnten.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Kloster Pfullingen
Einer im Pfullinger Klarissenkloster verfassten, bis etwa 1525 zurückreichenden Chronik zufolge, soll der Konvent im Jahr 1250 von zwei Schwestern aus dem niederadligen Pfullinger Geschlecht der Rempen gestiftet worden sein. Bereits 1237 bestand dort angeblich Franziskaner-Niederlassung. Von der jüngeren Forschung wird die den erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts erstmalig auftretenden Rempen zugeschriebene Gründungsgeschichte allerdings kritisch gesehen. Wer die tatsächlichen Stifter waren, bleibt somit vorerst im Dunkeln, ebenso welche Rolle hierbei die in Pfullingen reich begüterten edelfreien Herren von Greifenstein gespielt haben könnten.
1252 gestattet Papst Innozenz IV. den Pfullinger Schwestern die Annahme der Klarissenregel. Kurz darauf besiedelten Klarissen aus Söflingen das junge Kloster, dessen Vögte zunächst die österreichischen Landvögte auf der Achalm, später die Grafen von Württemberg waren. Die weitere Geschichte und Entwicklung des Klosters während der Frühphase liegen weitgehend im Dunkeln, doch lassen ausgedehnte Besitzungen, die im Wesentlichen in einem Dreieck mit den Eckpunkten Tübingen, Nürtingen und Münsingen lagen, sowie auch die für das Jahr 1413 überlieferte Anzahl von 64 Nonnen auf einen stets großen und wohlhabenden Konvent schließen.
Im Bauernkrieg wurde das Cäcilienkloster 1525 zwar belagert, blieb aber offenbar von Plünderung und Zerstörung verschont. 1539 erfolgte wahrscheinlich der Bildersturm und 1540 verfügte Herzog Ulrich von Württemberg die zwangsweise Umsiedlung von 27 Nonnen und Laienschwestern, die erst 1551 auf kaiserlichen Druck in ihr verlassenes Kloster zurückkehren konnten. Die Reformation erhielt nur schleppend Einzug ins Kloster und erst um 1590 wurde die letzte Nonne noch evangelisch. In der Säkularisation wurde das Kloster(amt) schließlich verstaatlicht und als Kameralamt genutzt. In den Jahren 1845/51 erwarb die Stadt Pfullingen, später dann ein Privatmann das Areal, das sich heute größtenteils in städtischem Besitz befindet.
Von den ehemaligen Klostergebäuden ist noch der westliche Teil der Klosterkirche aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorhanden, an dessen Wänden sich in Europa seltene frühgotische ornamentale Wandmalereien erhalten haben. Untersuchungen jüngerer Zeit ergaben, dass die im Zuge der Nutzung als Fruchtkasten seit etwa 1630 mit Zwischenböden versehene Kirche auf der Bausubstanz eines deutlich älteren, wenigstens in das 11. Jahrhundert zurückreichenden Gebäudes stehen soll, welches in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine neue Nordmauer mit einem integrierten romanischen Portal erhalten habe. Gerade die Baubefunde aus der Frühphase des Klosters werden künftig nochmals einer genaueren Betrachtung zu unterziehen sein. Seltenheitswert besitzt auch das frühgotische Sprechgitter der Nonnen, das in die innere Klausurmauer eingelassen, eine kommunikative Schnittstelle zwischen innerer Klausur und äußerem Klosterareal darstellt. Darüber hinaus zeugen mehrere große Keller sowie das spätbarocke Haus des Klosterhofmeisters von der Zeit als herzoglich-württembergisches Klosteramt. Große Teile des Klosters, wie der mittelalterliche Kreuzgang, die Umfassungsmauern und Konventsgebäude sowie auch die alte Klostermühle und die Zehnscheuer, wurden im Laufe des 19./20. Jahrhunderts abgerissen, sodass der Gesamteindruck der Anlage stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Michael Kienzle, September 2021
Obere Burg Pfullingen
Die Lokalforschung sah in der Oberen Burg lange Zeit den Herrschaftssitz eines „Grafen des Pfullichgaus“, der einem eigenen „Pfullinger Grafenhaus“ entstammt haben soll. Neueren Erkenntnissen nach hat es ein solches aber nie gegeben. Vielmehr handelte es sich bei jenem mutmaßlichen Grafen „Hermann“, dessen Name in der historischen Überlieferung erscheint, um Herzog Hermann I. von Schwaben (929–949), der die alten Grafschaftsrechte im Pfullichgau im Zusammenhang mit dem Herzogsamt vom König übertragen bekommen hatte.
Spätestens um die Mitte des 11. Jahrhundert lässt sich eindeutig eine in Pfullingen ansässige edelfreie Familie fassen, als deren prominentester Vertreter der 1065 zum Erzbischof von Trier ernannte Konrad von Pfullingen in Erscheinung tritt. Jedoch wurde dieser bereits im Vorfeld seines Amtsantritts ermordet. Ob die im 11./12. Jahrhundert mehrfach nachweisbare Familie ihren Sitz auf der Oberen Burg hatte beziehungsweise auch, ob diese damals überhaupt schon bestand, lässt sich bislang nicht nachweisen. Nach 1161 schweigen die Quellen bezüglich dieses edelfreien Pfullinger Adels.
Nicht einstimmig geklärt ist, ob die später während des 13. Jahrhunderts mehrfach genannte ritterliche Familie „von Pfullingen“ derselben Dynastie entstammt. Denn als am 4. Mai 1216 in einer Urkunde Pfalzgraf Rudolfs von Tübingen mit Waltherus et Marquardus de Phullingen zwei sich nach dem Ort nennende Adelige auftreten, werden diese ausdrücklich (deutlich hinter den unter den „Freien“ aufgeführten Greifensteinern) unter den „Ministerialen“ genannt. Im Laufe des 13. Jahrhunderts lassen sich mehrfach Vertreter dieser Familie fassen, die aller Wahrscheinlichkeit nach – vermutlich als Lehen derer von Greifenstein – stets die Obere Burg innehatten. Nach dem Niedergang der Familie um das Jahr 1338 scheint jenes Burglehen unmittelbar an die Greifensteiner zurückgefallen zu sein, in deren Besitz sich der gesamte südliche Teil Pfullingens um die Jahrhundertmitte befand.
Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch das Gründungsdatum der Oberen Burg, welche erstmals um 1260 konkret nachweisbar ist, liegen weitgehend im Dunkeln. Im Jahr 1338 verfügte die Mechthild von Pfullingen, vermutlich die letzte ihres Geschlechts, über die Burg. Weitgehend unklar ist, ob die Anlage damals noch bewohnt oder überhaupt noch als intakte Anlage vorhanden war, bleibt unklar. Möglicherweise war diese bereits 1311 zusammen mit den Greifensteiner Burgen im Reichskrieg zerstört worden. Allerspätestens dem Städtekrieg von 1388 dürfte sie schließlich endgültig zum Opfer gefallen sein, denn als sie im württembergischen Lagerbuch aus dem Jahr 1454 unter den ehemals greifensteinischen Gütern zu Pfullingen an erster Stelle genannt wird, ist die Rede ausdrücklich von dem burgstal (d.h. eine nicht mehr intakte Burg) ob der Louchmulin. Anhand der überlieferten Ortsbezeichnungen gelang es dem Pfullinger Archivar Wilhelm Kinkelin seinerzeit die ungefähre Lage der Oberen Burg einzugrenzen. Spätestens 1521 scheint der einstige Burgstall vollständig verschwunden gewesen zu sein, als man einen Garten an dessen Stelle angelegt hatte. Die letzten noch erkennbaren Spuren der Anlage scheinen schließlich um 1900 im Zuge von Baumaterialgewinnung getilgt worden zu sein.
Die Obere Burg scheint etwas oberhalb des Orts am Rand einer hoch aufragenden Tuffplatte gelegen zu haben. Das heute weitgehend überprägte Gelände zwischen Leonhardstraße und Mühlbach lässt hiervon kaum mehr Spuren erkennen. Allerdings sollen dort noch um 1900 große Mauersteine gefunden worden sein, die allesamt „weggeführt“ wurden. Eine Dokumentation der damals aufgedeckten Strukturen scheint bedauerlicherweise nicht stattgefunden zu haben. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts war oberhalb der „Volkenmühle“ lediglich noch ein Deich beziehungsweise eine Vertiefung im Gelände zu erkennen, welche als Rest des ehemaligen, die Burg auf der Nordseite schützenden Burggrabens interpretiert wurden.
Konkrete Angaben zum einstigen Erscheinungsbild der Burganlage lassen sich folglich kaum machen.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Rempenburg Pfullingen
Die wahrscheinlich bereits vor 1260 erbaute „Rempenburg“ oder auch „Untere Burg“ in Pfullingen diente dem niederadeligen Geschlecht der Rempen von Pfullingen als Stammsitz, welche sich im 13. Jahrhundert nachweislich unter den Lehensleuten der Greifensteiner finden. Über das Aussehen der einstigen Burganlage ist wenig bekannt. Vermutlich war diese als klassische Wasserburg ausgeführt, die den Wasserlauf der Echaz einbezog und mittels eines wassergefüllten Grabens befestigt war. Die Burg lag strategisch günstig am Ortsrand des damaligen Pfullingen unmittelbar an der nebenan situierten Echazbrücke und dem mittelalterlichen Weg über die Alteburg nach Tübingen.
Im Jahr 1487 verkaufte Caspar Remp, der letzte Vertreter dieses Ortsadels, seinen Pfullinger Besitz mitsamt der Burg um 3100 Gulden an Graf Eberhard V. (im Bart) von Württemberg. Dieser ließ daraufhin in den Jahren 1560-65 ein neues Jagdschloss im Stil der Renaissance am Platz der alten Anlage errichten. Inwieweit Reste der Bausubstanz der älteren Rempenburg möglicherweise noch innerhalb des in Teilen erhaltenen jüngeren Schlossbaus erhalten sein könnten, müsste erst im Rahmen einer gezielteren bauhistorischen Untersuchung geklärt werden.
Im Falle des württembergischen Neubaus handelte es sich um ein vierflügeliges Wasserschloss innerhalb eines geräumigen und von vier runden Ecktürmen umgebenen äußeren Mauerrings. Über den breiten Wassergraben führte eine Brücke durch ein Portal im Westflügel des Schlosses in den rechteckigen Innenhof. Die vier Flügel des dreistöckigen, in Bruchsteinbauweise errichteten Baukörpers wurden durch zwei runde Treppentürme erschlossen, die sich nord- und südseitig des Hofs befanden. Die Ecken der Schlossflügel krönten markante turmartige Zwerchhäuser, die die monumentale Wirkung des Bauwerks verstärkten. Innerhalb des äußeren Mauerrings gruppierten sich verschiedene Ökonomiebauten, darunter ein Kellereifruchtkasten, der Marstall, das Zeughaus, ein Wasch- oder Backhaus, eine Scheuer, ein Torhaus, Gärten sowie eine nicht gesichert lokalisierte Kapelle. Außerhalb der Umwehrung lagen die herrschaftliche Mühle und eine zum Schloss gehörige Kelter.
Michael Kienzle, Oktober 2021
Das „Hörnle“ auf dem Urselhochberg
Erstmals wurde eine potentielle Burgstelle auf dem „Hörnle“ bei Pfullingen im Jahr 2005 zur Diskussion gestellt, als dort ein auffälliger Graben im Gelände entdeckte wurde. Eine erste Bestätigung, dass es sich bei den festgestellten Geländespuren um eine alte Burgstelle handeln könne, kam kurz darauf auch von Seiten des damaligen Landesdenkmalamts. Wenig später erschien im Reutlinger Generalanzeiger ein Artikel mit der klangvollen Überschrift „Versunkenes Schloss aufgespürt“. Auch der vielleicht etwas vorschnell gewählte Begriff einer „Burg Hohenpfullingen“ wurde in diesem Zusammenhang gebraucht. Ausschlaggebend für die damaligen Nachforschungen war wohl die umfangreiche Sagenwelt, die sich insbesondere seit dem 19. Jahrhundert um den „Urselberg“ rankt. Demnach soll „die alte Urschel“ – eine Art Fee oder Berggeist, welcher die Fuhrleute, die über die dortige alte Steige fuhren, an verschiedenen Stellen Opfergaben dargebracht haben sollen – auf diesem Berg über zwei verwunschene Schlösser verfügt haben. So schrieb etwa der Tübinger Volkskundler Ernst Meier 1852 in seinem Werk über Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben: „Dicht bei dem Nachtfräuleinsloch, etwa 170 Schritt unterhalb des „Hämmerle“ erhebt sich ein kleiner Hügel, auf dessen Spitze jetzt ein Signalstein gesetzt worden ist. Hier soll in alten Zeiten ein Schloss gestanden und mit unendlichen Schätzen in die Tiefe gesunken sein. Auf dem ganzen Platze bleibt Winters kein Schnee liegen“. Die hierauf bezogene Vermutung, dass jene Angabe von einem „versunkenen Schloss“ mit einem möglicherweise stattgefundenen Bergrutsch in Zusammenhang zu bringen sein kann, der große Teile dieser Burg weggerissen habe, lässt sich vorerst nicht erhärten.
Ob es eine solche Burganlage am „Hörnle“ also jemals gab, muss fraglich bleiben. Bislang konnte dort noch kein entsprechendes Fundmaterial aufgespürt werden. Auch der Geländebefund vor Ort bleibt eher vage. Festhalten lässt sich, dass eine mittelalterliche Burg am Urselberg, dem bisherigen Kenntnisstand nach beziehungsweise bis zum Auffinden eindeutigerer Nachweise, weder plausibel belegt noch abschließend widerlegt werden kann.
Die angebliche Burgstelle liegt etwa 1,2 km östlich der „Oberen Burg“ in Pfullingen auf einer durch eine abgerutschte Erdscholle gebildeten Erhebung am Westhang des „Urselbergs“. Ein durch dieselbe Rutschung entstandener grabenartiger Einschnitt trennt das gesamte Areal bereits im Osten von dem stark ansteigenden bergseitigen Gelände ab. Dahinter erstreckt sich eine relativ ebene Fläche, die nordseitig von einem steilen Hang, an der südlichen Seite jedoch nur von sanft abfallendem Gelände begrenzt wird. Spuren einer Befestigung sind dort an keiner Stelle nachvollziehbar. Einzig markanter Geländebefund ist ein weiterer grabenartiger Einschnitt, der sich westseitig unterhalb dieser Fläche findet und der dort einen kleinen Absatz am Spornende abtrennt. Dieser etwa dreieckige Bereich am Spornende wird nach Süden zunehmend schmaler, bis er spitz zulaufend am Graben endet. Spuren einer Bebauung oder Befestigung sind auch hier nicht erkennbar. Unterhalb der unregelmäßig ausgeformten Geländekanten schließen sich an sämtlichen Seiten steile Hangbereiche an. Insgesamt wirkt der Geländebefund äußerst unklar. Der als künstlicher Graben angesprochene Geländeeinschnitt ist zwar durchaus auffällig, zugleich aber auch relativ untypisch für einen typischen Halsgraben, wie er zum Schutz einer mittelalterlichen Burg zu erwarten wäre. Gesicherte Aussagen bezüglich dieser insgesamt eher fraglichen Anlage werden künftig wohl nur mittels einer gezielten archäologisch-geologischen Untersuchung zu gewinnen sein.
Ein weiteres, ebenfalls „versunkenes“ Schloss soll derselben Sagenwelt zufolge auf dem nahen „Urselhochberg“ gestanden haben. Jedoch lassen sich auf dessen relativ ebener, von alten Flurrgrenzen durchzogener Hochfläche keinerlei Anzeichen für eine mittelalterliche Burg erkennen.
Michael Kienzle, September 2021
Ruine Alter Lichtenstein
Nachdem im Jahr 1182 erstmals ein Gebhard von Lichtenstein als Ministeriale des Markgrafen Heinrich von Ronsberg genannt wird, scheint die Familie seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf den Burgen über Honau ansässig gewesen zu sein. Als Stammburg sah man lange Zeit die Burg „Alter Lichtenstein“ an, schien sich dies doch bereits in der Namengebung zu bestätigen. Archäologische Funde lassen jedoch an dieser Einordnung zweifeln. Im Gegenteil dürfte es sich vielmehr bei eben jener Burganlage, die als Vorläufer des heutigen Schlosses bzw. an dessen Position auf dem steilen Schlossfelsen stand, um den älteren Burgenbau handeln. Erst rund ein halbes Jahrhundert später scheint dann die Burg Alter Lichtenstein errichtet worden zu sein, also während der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ähnlich wie die benachbarten Greifensteiner erbauten somit also auch die Herren von Lichtenstein innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums und in nächster Nähe ihrer Stammburg eine zusätzliche Burganlage. Welche unmittelbaren Bestrebungen diesem zweiten Burgenbau zugrunde lagen, ist bislang noch weitestgehend ungeklärt.
Erstmals wird eine Burg Lichtenstein im Jahr 1311 anlässlich der Zerstörungen des Reichskriegs ausdrücklich erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Nennung auf beide damals parallel bestehenden Lichtensteine bezog. Nicht abschließend geklärt ist, wann genau die Burg Alter Lichtenstein schließlich endgültig aufgegeben wurde. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden vermutlich beide Burganlagen zerstört. Zumindest eine muss danach wieder aufgebaut worden sein, denn im Städtekrieg 1377 kam es erneut zur Zerstörung einer „Burg Lichtenstein“. Ob auch dieses Ereignis wiederum beide Burgen betraf – womit ein potentieller Wiederaufbau der Burg Alter Lichtenstein im 14. Jahrhundert vorauszusetzen wäre – lässt sich bislang nicht gesichert entscheiden. Spätestens in der Folgezeit wurde die Burganlage jedoch nicht mehr aufgebaut und blieb dem fortschreitenden Verfall überlassen.
Die Burg Alter Lichtenstein wurde auf einem steilen Burgfelsen oberhalb des Honauer „Tobels“ errichtet und von dem feldseitig ansteigenden Hang durch zwei tiefe Halsgräben abgetrennt. Unmittelbar hinter diesen erhebt sich nordseitig eine Felsenrippe, die stellenweise Bearbeitungsspuren und Reste von Mauerwerk aufweist und durch die eine ausgearbeitete Spitzbogenpforte führt. Die Felsrippe selbst folgt in auffälliger Weise einem anderen Verlauf als die eigentliche, knapp 2 m starke Umfassungsmauer der Burg, wodurch sich eine Art dreieckiger Zwinger herausbildet.
Im Inneren des Burgareals teilt ein weiterer Graben die Gesamtanlage in eine nördliche Kernburg und eine südliche Vorburg. Mit Ausnahme einer auffälligen Vertiefung, deren südliche Wand einen bogenförmigen Mauerzug aufweist, zeigt das Vorburgareal obertägig kaum mehr klar ansprechbare Geländespuren; anders die nördlich situierte und durch den Zwischengraben gesicherte Kernburg. Gegen die Feldseite übernahm hier eine Schildmauer mit Buckelquaderverblendung die Abschirmung. Diese dürfte schon während des 13. Jahrhunderts entstanden sein und war somit wahrscheinlich von Beginn an Teil der Burganlage. Im Zentrum der Kernburg erhob sich ein bergfriedartiger Rundturm mit einem Durchmesser von 9 m, aber einer vergleichsweise geringen Mauerstärke von nur rund 1,20 m, der erst 1993 durch Ausgrabungen als solcher erkannt werden konnte. Südlich davon befand sich eine gemauerte Zisterne, deren runder Schacht in Resten erhalten ist. Auf der nordöstlichen Spitze des Burgfelsens, wo heute kaum mehr Bauspuren erschließbar sind, ist der Wohnbau der Burg zu vermuten.
Der vorhandene Baubestand, der insgesamt auf mehrere Bauphasen hinzudeuten scheint, sowie auch die teils nur vage einzuordnenden Geländespuren lassen bislang viele Fragen zur Baugeschichte der Burganlage offen. Nur ansatzweise lässt sich überdies nachvollziehen, in welchem Verhältnis die eindeutig dem Ministerialadel zugehörigen Herren von Lichtenstein zu den benachbarten edelfreien Herren von Greifenstein standen.
Michael Kienzle, November 2021
Schloss Lichtenstein
Erstmals werden die Herren von Lichtenstein im Jahr 1182 mit einem Gebehardus de Liehtinstain genannt, der ein Ministeriale des Markgrafen Heinrich von Ronsberg war. Es wird angenommen, dass die Lichtensteiner mit den Herren von Engstingen gemeinsamer Abkunft sind, die bereits im Jahr 1161 nachweisbar sind. Im Jahr 1263 unterstand die damals bischöflich-churische Herrschaft Engstingen als Lehen den Herren von Lichtenstein.
Erstmals ausdrücklich erwähnt wird die Burg Lichtenstein im Jahr 1311 anlässlich der Zerstörungen des Reichskriegs. Lange setzte man die Entstehung der „neuen“ Burg, die an der Stelle des heutigen Schlosses errichtet wurde, in den Jahren nach 1389 an. Dort soll ein grundlegender Neubau erfolgt sein, nachdem der „Alte Lichtenstein“ zuvor zerstört worden sei. Allerdings wurde diese Abfolge in jüngerer Zeit zu Recht infrage gestellt. So verweisen nicht nur sekundär verwendete Buckelquader im unteren Teil des Schlosses, sondern auch archäologische Funde auf eine frühere Zeitstellung. Die Erbauung der ersten Burg Lichtenstein ist basierend auf der derzeit verfügbaren Quellenlage bereits in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts anzusetzen.
Allem Anschein nach dürften während des Reichskriegs 1311 zunächst beide Lichtensteiner Burgen zerstört worden sein. Zumindest eine der beiden Anlagen muss danach wieder aufgebaut worden sein, denn im Städtekrieg 1377 wurde erneut eine „Burg Lichtenstein“ zerstört. Ein darauffolgender Neubau, der nun eindeutig an der Stelle des heutigen Schlosses stand, scheint noch in den Jahren vor 1394 stattgefunden zu haben. In der Folge blieb die Anlage württembergisches Eigen. Erst im 16. Jahrhundert verlor die Burg zunehmend an Bedeutung und seit 1567 saß dort anstelle eines württembergischen Burgvogts nur noch ein reisiger Forstknecht. Im Jahr 1802 ließ König Friedrich von Württemberg den oberen Teil der damals baufälligen Anlage abbrechen. Auf dem älteren Unterteil errichtete er einen neuen Fachwerkbau, der als Sitz eines Försters und als fürstliches Jagdhaus diente. Erst 1840 wurde unter Graf Wilhelm von Württemberg (später Herzog von Urach) schließlich das romantische Schloss Lichtenstein erbaut, dessen Außenwerke 1857 endgültig fertig gestellt wurden und das bis heute als markantes Symbol der Schwäbischen Alb weithin Bekanntheit erlangte.
Die ältere Burg Lichtenstein an der Position des heutigen Schlosses, lag auf einem steilen, aber relativ kleinräumigen Burgfelsen. Dieser wurde gegen die angrenzende Hochfläche durch einen beachtlichen Halsgraben gesichert, über den heute eine hölzerne Brücke führt. Wie genau die ursprüngliche Burganlage aussah, lässt sich kaum noch rekonstruieren. Möglicherweise könnten die auffällig starken Grundmauern des südlichen Bauteils des heutigen Schlosses dahingehend gedeutet werden, dass dort feldseitig ausgerichtet schon früh ein massiver turmartiger Baukörper gestanden haben könnte. Die in diesem Bereich sekundär vermauerten Kalksteinbuckelquader entstammen einem älteren Burgenbau, der vermutlich in die Zeit um 1200 zu datieren ist. Relativ gut lässt sich dagegen anhand von Ansichten des 18. Jahrhunderts das spätmittelalterliche Erscheinungsbild der Anlage nachvollziehen. Damals führte eine hölzerne Brücke in einen kleinen, von einer Brüstungsmauer umfassten Vorhof, der in Form und Ausführung etwa dem heutigen Vorhof entsprach. Dahinter erhob sich auf dem Burgfelsen ein donjonartiger mehrstöckiger Massivbau mit Walmdach, der sich in zwei separate Gebäudeteile gliederte. Südseitig befand sich ein auf der Grabensohle aufsitzender Rundturm, der bis zur halben Höhe der auf dem Burgfelsen aufsitzenden Gebäude reichte. Von diesem ausgehend umschloss die ebenfalls bis zur Grabensohle reichende Mauer des grabenseitigen Vorhofs den Burgfelsen, sodass sich zwischen dieser und dem anstehenden Fels Kellerräume beziehungsweise Kasematten ergaben. Ihre heutige Form verdankt diese Ummauerung mit ihren locker gestreuten Maul- und Schlüsselscharten der Bautätigkeit des Spätmittelalters.
In welchem Verhältnis die dem Ministerialadel zugehörigen Herren von Lichtenstein zu den benachbarten edelfreien Herren von Greifenstein standen, lässt sich bislang nur ansatzweise nachvollziehen.
Michael Kienzle, November 2021
Martinskirche Pfullingen
Die Martinskirche im Zentrum Pfullingens ist das älteste Kirchengebäude der Stadt. Sie gilt gemeinhin als „Urkirche“ des bereits 937 genannten mittelalterlichen Verwaltungsbezirks „Pfullichgau“. Im Zuge einer 1962 erfolgten Renovierung konnten ältere Baubefunde erfasst und daraufhin umfangreiche archäologische Untersuchungen im Innenraum der Kirche initiiert werden. Diese erbrachten bis 1963 Aufschlüsse zu insgesamt vier Vorgängerbauten der heutigen Martinskirche.
Der erste Kirchenbau an dieser Stelle war demnach als rechteckige Holzkirche in Pfostenbauweise ausgeführt, die bereits im frühen 7. Jahrhundert errichtet wurde. Sie wies eine Größe von etwa 11,2 x 5,2 m auf und lag im Südosten des heutigen Langhauses. Im Zuge der damaligen Ausgrabungen fand man Pfostengruben in unregelmäßigen Abständen, Wandgräbchen sowie Reste eines vermoderten oder verbrannten Holzfußbodens. Der Holzkirche folgte eine steinerne Saalkirche, deren Zeitstellung sich nicht exakt bestimmen lässt. In Bezug auf die erfassten Bauphasen dürfte für diese allerdings ein Entstehungszeitraum im 8. oder 9. Jahrhundert anzusetzen sein. Dieser zweite Kirchenbau, der im Osten über eine hufeisenförmige Apsis verfügte, war insgesamt rund 14 Meter lang und 8 Meter breit. In einer dritten Bauphase errichtete man eine Saalkirche mit halbkreisförmiger, leicht gestelzter Apsis, deren Langhaus nun eine lichte Breite von rund 9 Metern und eine Länge von mindestens 17 Metern einnahm. Auch der Entstehungszeitraum dieser Saalkirche lässt sich wiederum nur vage erschließen, dürfte aber im 10. oder 11. Jahrhundert zu verorten sein.
Mit Bau IV entstand im 12./13. Jahrhundert schließlich eine dreischiffige, querhauslose Basilika mit halbkreisförmiger gestelzter Apsis. Das Langhaus der Kirche umfasste jetzt mitsamt den Seitenschiffen rund 16 x 22 m. Später wurde die ursprüngliche Apsis abgerissen und durch einen rechteckigen Chor mit etwa 8,6 Metern lichter Tiefe ersetzt. Die aufwendige Gestaltung dieses Kirchenbaus entsprach kaum dem Typus einfacher ländlicher Pfarrkirchen jener Zeit. Vergleichsbeispiele finden sich vielerorts insbesondere an bedeutsamen und größeren Siedlungsplätzen, wie etwa in Kirchheim Teck. Bereits 1999 vermutete deshalb die Tübinger Professorin für Mittelalterarchäologie Barbara Scholkmann, dass hinter der Errichtung dieser Basilika „eine bedeutende Adelsfamilie“ gestanden haben könnte. Zu denken wäre etwa an die „edelfreien Herren von Pfullingen, deren Sitz möglicherweise beim Ort lag“. Zugleich drängt sich die Frage auf, inwieweit möglicherweise auch die edelfreien Herren von Greifenstein, deren Herrschaftsbildung sich nach allem was wir wissen im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert vollzog, diesbezüglich als gestaltende Akteure auftraten.
Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die bauliche Ausgestaltung der Pfullinger Martinskirche als Indiz für eine bedeutsame Stellung des Orts während des ausgehenden Hochmittelalters gewertet werden kann. Deren frühe Ursprünge sowie die Nennung eines „Pfullichgaus“ und reichhaltige frühmittelalterliche Grabfunde belegen darüber hinaus eine offenbar früh einsetzende zentralörtliche Funktion Pfullingens. Inwieweit diesbezüglich eine Bedeutungskontinuität bis zum Ende des Hochmittelalters angenommen werden darf, lässt sich in Ermangelung entsprechender archäologischer Aufschlüsse und einer fragmentarischen schriftlichen Überlieferung für diese Zeit bislang nur vermuten. Zumindest im 13. Jahrhundert scheint die Siedlung Pfullingen, die zumindest in Teilen unter greifensteinischer Oberhoheit stand, aber durchaus „stadtähnlichen Charakter“ aufgewiesen zu haben. Mit dem Aufstieg der späteren Reichsstadt Reutlingen dürfte die frühere zentralörtliche Stellung Pfullingens aber zunehmend verloren gegangen sein.
Letztendlich bleiben zur mittelalterlichen Siedlungsstruktur Pfullingens ebenso wie zur Herrschaftsstruktur des Hochmittelalters bislang noch viele Fragen unbeantwortet. Insbesondere die Rolle des im Echaztal ansässigen Adels wird vor dem Hintergrund der wechselhaften Siedlungsentwicklung Pfullingens einer genaueren Betrachtung zu unterziehen sein.
Michael Kienzle, November 2021