Konzeption

Im Rahmen des interdisziplinär ausgerichteten Forschungsprojekts der Universität Tübingen wird seit Mitte 2020 in enger Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart sowie verschiedenen lokalen Partnern die mittelalterliche Herrschaft Greifenstein und die von dieser geprägte Kulturlandschaft im Gebiet des oberen Echaztals anhand eines breit konzipierten Forschungs- und Vermittlungskonzepts untersucht.

Mit den seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auftretenden und bis in das späte 14. Jahrhundert agierenden Greifensteinern lässt sich am Nordrand der Schwäbischen Alb eine dem ritterlichen Stand zugehörige Herrscherfamilie fassen, deren Geschichte das Gebiet des oberen Echaztals tiefgreifend prägte. Zunächst im Dienste der mächtigen Pfalzgrafen von Tübingen, später in dem der aufstrebenden Württemberger, verstanden sie es erfolgreich eine kleinräumige, offenbar gut ausgebaute Adelsherrschaft um die Orte Pfullingen, Unterhausen und Holzelfingen zu errichten. Deutlich zeichnet sich auch eine Verfügungsgewalt über mehrere Burganlagen ab. Ebenso sind Verbindungen zu klerikalen Niederlassungen verschiedener Art erkennbar. Nach einer Blütezeit im 13. Jahrhundert scheint die Herrschaft Greifenstein infolge der Verheerungen des Reichskriegs 1311 und damit einhergehenden gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der nahen Reichsstadt Reutlingen im Verlauf des 14. Jahrhunderts zunehmend unter Druck geraten zu sein. In der Folge finden sich Vertreter der Familie auch in entfernteren Regionen, wie dem Bodenseeraum oder der heutigen Schweiz, wo sie teils hohe politische und klerikale Ämter erringen konnten.      

Wappenrolle von Zürich, ca. 1335/1345 (Merz/Hegi, 1930)

Bezogen auf die hieraus abzuleitende und bislang offenbar unterschätzte, auch überregionale Bedeutung der Familie, stellt sich der vorhandene Forschungsstand vergleichsweise spärlich dar. Oft werden Sagen und lokale Überlieferungen mehr zitiert als die vorhandenen historischen Quellen. Auch detailliertere Untersuchungen der Greifensteiner Burgen sowie anderer Elemente der Greifensteiner Kulturlandschaft stehen bislang weitgehend aus. Gerade solche erscheinen aber umso notwendiger, da insbesondere die Lokalforschung hier ein weitreichendes und bewusst konzipiertes „Greifensteiner Burgensystem“ postuliert. Tatsächlich bietet die vorhandene Ausgangslage, die eine topographisch zusammenhängende Burgengruppe sowie ein deutlich erkennbares lokales Herrschaftsgefüge im Hoch- und Spätmittelalter innerhalb einer kleinräumigen Tallandschaft erkennen lässt, eine hervorragende Gelegenheit, eine exemplarische und auch überregional relevante Untersuchung einer solchen Burgenregion durchzuführen. Hierbei können neben dem „Standort Burg“ im engeren Sinne auch weitreichende Zusammenhänge zwischen Burg und Kulturlandschaft im Kontext eines „Ressourcengefüges“ analysiert werden. Auch die ökonomische Wechselwirkung zwischen Adelsherrschaft und umgebender Kulturlandschaft lässt sich vielfach nachvollziehen, so etwa anhand der seit dem 10. Jahrhundert gut belegbaren Nutzung des Flusses Echaz, mehrerer herrschaftlicher „Greifensteiner“ Waldbezirke oder auch dem Ringen um die Kontrolle der Verkehrswege, wo vor allem die aufstrebende Reichsstadt Reutlingen seit dem 13. Jahrhundert zunehmend in Konkurrenz trat.

3D Geländemodell:  Greifensteiner Burgen und Klosterstandorte um das Zellertal bei Unterhausen (Basisdaten: www.lgl-bw.de / Visualisierung: M. Kienzle)

Im Rahmen des interdisziplinären und modularen Forschungsprojektes sollen Geschichte und Archäologie der Herrschaft Greifenstein umfassend aufgearbeitet werden. Bislang nicht bearbeitete historische Quellen werden systematisch erschlossen und ausgewertet. Anhand archäologischer und bauhistorischer Methoden wird eine gezielte Untersuchung der Greifensteiner Burgengruppe und weiterer damit in Zusammenhang stehender Objekte erfolgen. Von besonderem Interesse sind hierbei nicht zuletzt einige bislang nicht mit Sicherheit nachgewiesene Burgenstandorte sowie die schwer einzuordnende Klosterwüstung am „Brudersteig“. Ein besonderes Augenmerk soll auch den Verkehrswegen als verbindende Elemente zwischen den verschiedenen Orten der Greifensteiner Herrschaftsausübung zukommen.

1 Ruine „Oberer Greifenstein

2 Ruine „Unterer Greifenstein

3 Burgstelle „Hochbiedeck

4 Burgstelle „Stahleck

5 Klosterwüstung „Brudersteig

6 vermutete Burg am „Burgstein

7 Wehrkirche in Unterhausen

8 ehem. „Obere Burg“ in Pfullingen

9 Kloster Pfullingen

10 angebliche Burgstelle am „Urselberg

11 ehem. „Wässerwiesen“ und „Heerstraße

12 ehem. „Rempenburg“ in Pfullingen

Neben der bewusst interdisziplinär ausgerichteten Herangehensweise ist das Projekt auch konzeptionell weit gefasst. Vor diesem Hintergrund erfolgte eine modulare Gliederung des Gesamtprojekts in kleinere Teilprojekte (vgl. hierzu den Abschnitt „Teilprojektskizzen“), deren Aufwand und Kosten gut kalkulierbar sind. Diese sind zunächst individuell und in sich abgeschlossen durchführbar, ermöglichen aber schließlich eine synthetische Zusammenschau. Darüber hinaus soll die modulare Gliederung zugleich auch die Einbindung einer breiten Öffentlichkeit in den fortschreitenden Prozess gewährleisten und es erlauben, Teilergebnisse projektbegleitend zu präsentieren und zu vermitteln. Durch die Einbindung verschiedenster „Akteure“ von Beginn an wurde eine Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung (Universität Tübingen / Landesdenkmalpflege), lokalem Geschichtsinteresse (Gemeinden / Geschichtsvereine u.a.) und öffentlicher Vermittlung (Kreisarchiv / Stadtarchiv / lokale Museen) geschaffen. Die Einbindung des Projekts in den SFB 1070 „Ressourcen Kulturen“ an der Universität Tübingen gewährleistet zudem die wissenschaftliche Auseinandersetzung und den fachlichen Austausch auch in Bezug auf übergeordnete archäologisch-historische Fragestellungen.

In der Schlussphase des Projekts sollen die Ergebnisse öffentlichkeitswirksam und auf mehreren Ebenen präsentiert und vermittelt werden. Hierzu sind neben Publikationen in Buchform auch Vorträge sowie die Konzeption einer Sonderausstellung geplant. Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, soll im Rahmen von Führungen / Thementagen für Bildungsstätten / Vereine auch projektbezogene und hochwertige Museumspädagogik / Living-History als anschauliche und interaktive Vermittlungskonzeption integriert werden. Durch das Anbringen aufeinander abgestimmter und in Zusammenhang stehender Schautafeln, der Ausarbeitung eines „Greifensteiner Themenwanderwegs“ sowie durch das Erstellen einer App und einer virtuellen Ausstellung sollen weitere moderne und auch längerfristig nutzbare Vermittlungsebenen realisiert werden.  Mittels der projekteigenen Website wird das sukzessive Fortschreiten des Projekts selbst, beziehungsweise der komplexe Prozess des „Erforschens“ als solcher, in enger Kooperation mit dem Kreisarchiv des Landkreises Reutlingen für eine breite Öffentlichkeit unmittelbar „erlebbar“ gemacht und zugleich längerfristig und nachhaltig dokumentiert.

Interdisziplinär ausgerichtete Konzeption des Projekts und geplante Vermittlungsformen der Ergebnisse zum Projektende

Fundkeramik / Ruine Oberer Greifenstein / Wappendarstellung Sankt Blasius Kirche Holzelfingen (Fotos: M. Kienzle) / LiDAR-Scan: www.lgl-bw.de / Urkunde: HStA Stuttgart A 602 Nr. 13707, Altkarte: Charte von Schwaben, Reproduktion hrsg. vom Landesvermessungsamt Baden-Württemberg (Stuttgart 1993)

Teilprojektskizzen (exemplarisch):

Im Rahmen mehrerer modularer und ineinandergreifender Teilprojekte sollen die einzelnen „Objekte Greifensteiner Herrschaftsausübung“ untersucht und aufgearbeitet werden. Die konzeptionelle Ausrichtung gewährleistet jederzeit eine Angliederung weiterer Projektteile an die im Folgenden aufgeführte exemplarische Auswahl.

Teilprojekt 1:  Bauhistorisch-archäologische Untersuchung an der Ruine „Oberer Greifenstein“

Ziele sind eine Dokumentation und historische Einordnung des Baubestands an der mehrfach baulich gesicherten Ruine sowie eine Erfassung möglicher Spuren einer Innenbebauung und einer in Resten erkennbaren, geräumigen, bislang aber nicht untersuchten Vorburg. Ergänzend sind eine Auswertung vorhandener Alt-Funde diverser Untersuchungen des 20. Jahrhunderts und eine archäologische Sondage geplant. Hierdurch können nicht nur Entstehungskontext und Bauzeit der Anlage präziser erfasst werden, sondern auch Rückschlüsse bezüglich der baulichen Ausgestaltung und repräsentativen/funktionalen Ausstattung der Burg gewonnen werden. Anhand der Erfassung der Kleinfunde soll darüber hinaus ein direkter Einblick in den mittelalterlichen Alltag und die Lebensumstände der Burgbewohner sowie in die dort genutzte materielle Kultur ermöglicht werden.

Teilprojekt 2:  Archäologische Untersuchung am „Unteren Greifenstein“                                        

Ziele sind eine Erfassung des noch spärlich vorhandenen, teils stark gefährdeten Baubestands sowie der bislang nicht abschließend geklärten Ausdehnung und Ausformung des ehemaligen Burgareals. Ergänzend sind eine Auswertung vorhandener Alt-Funde und eine archäologische Sondage geplant. Aufbauend auf Teilprojekt Nr. 1 soll das zeitlich-funktionale Verhältnis dieser unteren Burganlage zur oberen Burg Greifenstein geklärt werden. Die Untersuchung lässt zudem nähere Rückschlüsse zur Datierung sowie zum baulichen Erscheinungsbild der bislang nur schwer einzuschätzenden Burgstelle erwarten, soll aber auch die bereits in Teilprojekt Nr. 1 skizzierte Untersuchung der materiellen Kultur ergänzen.

Teilprojekt 3:  Archäologische Untersuchung der vermuteten Burgstelle auf dem „Burgstein“ bei Holzelfingen

Ein gesicherter Nachweis einer immer wieder vermuteten Greifensteiner Burg an dieser Position konnte bis heute nicht erbracht werden und gezieltere Untersuchungen wurden bislang nicht durchgeführt. Mittels archäologischer Methoden und unter Einbeziehung historischer Hinweise soll der Status dieser Anlage geklärt werden. Bedeutsam werden hierbei auch eine Sichtung und Auswertung des lokal und zumeist mündlich überlieferten Wissens sein, von dem gerade ältere Anwohner heute noch berichten können. Anschließend sollen anhand der gewonnenen Erkenntnisse eine Dokumentation und eine historische Einordnung der Anlage erfolgen.

Teilprojekt 4:  Klärung der Situation an der angeblichen Burgstelle am „Hörnle“ in Pfullingen

Vor einigen Jahren berichtete die Lokalpresse über ein „Versunkenes Schloss“ sowie eine angebliche „Burg Hohenpfullingen“ auf dem „Hörnle“ auf halber Höhe des Urselhochbergs, über einer alten Steige. In der Fachwelt blieb die Resonanz auf diese potentielle Anlage jedoch auf vereinzelte Nennungen beschränkt. Ziel ist eine archäologische/geologische Untersuchung der dortigen, durchaus auffälligen, aber bislang nicht konkreter zu bestimmenden Geländespuren. Dadurch sollen der Denkmalstatus und die weitere Ansprache dieser fraglichen Anlage geklärt werden. Anschließend sollen eine Dokumentation sowie eine historische Einordnung erfolgen.

Teilprojekt 5:  Archäologische Untersuchung der Burgstelle „Stahleck“                                             

Ziel ist eine Untersuchung der in jüngerer Vergangenheit eingeebneten und mit der Herrschaft Greifenstein in Zusammenhang zu bringenden Burgstelle. Günstige Voraussetzungen vor Ort lassen mit überschaubarem Aufwand weitreichende Erkenntnisse zur Gestalt und baulichen Ausformung der Anlage erwarten. Neben der Innenbebauung sollen dabei auch die Art der Befestigung der Burg sowie ein mutmaßliches Vorburgareal nachvollzogen werden. Durch eine Untersuchung der materiellen Kultur werden zudem die in Teilprojekt Nr. 1 angesprochenen Aspekte ergänzt. Die topographisch relativ isoliert anmutende Lage der Burg sowie deren Nähe zu einem durch das Zellertal verlaufenden Albaufstieg bieten darüber hinaus direkte Anknüpfungspunkte zu den Teilprojekten Nr. 7 und 8.

Teilprojekt 6:  Archäologische Untersuchung der Klosterwüstung am „Brudersteig“      

Eine spärliche Überlieferung sowie allgemein ein geringer Kenntnisstand zeichnen diese Anlage aus, die der topographischen Situation nach auffällig an die nicht weit entfernte Kartause Güterstein bei Bad Urach erinnert. Bislang meist als „bescheidene Waldklause“ eingeschätzt, dürfte die ehemalige klerikale Niederlassung jüngeren Lesefunden nach einst einen durchaus beachtlichen Baubestand und eine gehobene Ausstattung aufgewiesen haben. Noch verfügbare Kenntnisse älterer Anwohner, die auf inoffizielle Grabungen in den 90er Jahren zurückgehen sowie die teilweise Zerstörung des Areals durch die Anlage eines Holzabfuhrwegs in jüngerer Vergangenheit sprachen letztendlich für eine zeitnahe Untersuchung dieses vielversprechenden Objekts. Lokale Sagen setzen diese Klostergründung im Zellertal in einen direkten Zusammenhang mit den Herren von Greifenstein. Durch eine archäologische Untersuchung der Anlage sollen weitreichendere Kenntnisse bezüglich Entstehungszeit, baulicher Ausformung und Ausdehnung gewonnen werden. Aber auch eine allgemeine historische Einordnung dieser geistlichen Niederlassung in die regionale Geschichte, dessen Stellung innerhalb der hiesigen Kultur- und Sakrallandschaft sowie mögliche Wechselwirkungen zur Herrschaft Greifenstein können dadurch erstmals genauer nachvollzogen werden.

Teilprojekt 7:  Archäologisch-topographische Untersuchung der Herrschaft Greifenstein

Anhand einer Auswertung historischer und kartographischer Quellen sowie einer flächendeckenden Erfassung von im Gelände erkennbaren Kulturlandschaftselementen (u.a. anhand von Fernerkundungsdaten) sollen Ausformung und Umfang der Herrschaft Greifenstein nachgezeichnet werden. Hierbei sind neben Wechselwirkungen zur umgebenden Siedlungslandschaft auch ökonomische Strukturen und Zubehör, aber auch Lehensleute und Ministerale sowie Herrschaftsrechte zu erfassen. Durch diese Untersuchung können nicht nur einzelne, zuvor separat untersuchte Objekte in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden, sondern es können ebenso die Gestalt und Ausformung einer solchen Adelsherrschaft und ihre Wechselwirkungen auf die umgebende Kulturlandschaft detaillierter nachvollzogen werden.

Teilprojekt 8:  Archäologisch-topographische Erfassung und Untersuchung der mittelalterlichen Verkehrswege

Aufbauend auf Teilprojekt Nr. 7 sollen sämtliche anhand historischer und kartographischer Quellen oder als Altwegtrassen im Gelände erkennbaren Spuren alter Kommunikationslinien innerhalb der Herrschaft Greifenstein erfasst und kartiert werden. Darüber hinaus ist eine detailliertere archäologische Untersuchung einzelner Streckenführungen geplant. Damit soll ein auch methodisch bedeutender und vergleichend auswertbarer Beitrag zur in den letzten Jahrzehnten stark vernachlässigten Altwegeforschung geleistet werden. Regional können hierdurch die physischen Verbindungen zwischen den einzelnen Zentren der Herrschaft Greifenstein (Burgen, Klöster, etc.) und der sie umgebenden Siedlungslandschaft nachvollzogen werden, aber auch Wechselwirkungen zu überregionalen Fernverbindungen sind so beschreibbar. Anhand punktuell durchgeführter Detailuntersuchungen lassen sich genauere Angaben bezüglich der im Gelände gewählten Streckenführungen sowie zur jeweiligen Ausgestaltung und zum Ausbauzustand der Trassen machen. Auch eine Weiterentwicklung und Wandlung des Wegenetzes sowie dessen individueller Ausgestaltung innerhalb der Kulturlandschaft bis in die Neuzeit hinein kann anhand der zum Einsatz kommenden Methodik letztendlich gut skizziert werden. Lokal tradierte Sagen von Raubrittertum und wiederholt geplünderten Reutlinger Kaufmannszügen setzten die Greifensteiner bis heute in einen direkten Zusammenhang mit diesem Wegenetz.

Teilprojekt 9:  Heraldisch-sphragistische Untersuchung zu Wappen und Siegeln der Greifensteiner

In ähnlicher Form, wie Burganlagen gut sichtbar Herrschaft visualisieren, findet dies auf einer anderen Ebene auch über die heraldische Ausdrucksweise des mittelalterlichen Adels Ausdruck. Die drei Bergkuppen im Wappen der Greifensteiner, die deren „drei“ Burgen symbolisieren sollen, bieten hierbei nur einen möglichen Anknüpfungspunkt. Mehrere bislang nicht gesichtete, teils bis in den Schweizer Raum verstreute Siegel und Wappendarstellungen, mit sehr unterschiedlicher Formensprache, lassen diesbezüglich ein reiches Forschungspotential erkennen. Durch eine Sichtung und Aufarbeitung dieser Quellen soll nicht nur das heute noch als Gemeindewappen des Dorfs Holzelfingen präsente Greifensteiner Wappen, sondern auch Zusammenhänge mit den umgebenden Adelsfamilien des Echaztals analysiert werden. Gerade auf diesen somit bis die heutige Zeit identitätsstiftenden Faktor soll auch insbesondere in Hinblick auf Teilprojekt Nr. 11 ein Schwerpunkt gelegt werden.

Teilprojekt 10:  Sichtung und vergleichende Analyse des archäologischen Fundmaterials

Basierend auf dem anhand der Einzelprojekte gewonnenen und aufbereiteten Fundmaterial ist eine Zusammenstellung und Auswertung der vorhandenen Sachkultur aus dem Kontext der verschiedenen Greifensteiner Burgen geplant. Hierbei kann ein zumeist durch Ehrenamtliche und Lokalforscher zusammengetragener Komplex älterer Lesefunde durch jüngeres Fundmaterial aus den einzelnen Teilprojekten ergänzt werden. Auch Nachforschungen zum unsicheren Verbleib diverser, teils offenbar reichhaltig vorhandener Alt-Funde erscheinen vielversprechend. Ziele sind eine vergleichende Analyse der einzelnen Fundkomplexe mit Blick auf die chronologischen Zusammenhänge der einzelnen Anlagen sowie ein detaillierter Einblick in die Alltagskultur und die Sozialgeschichte der damaligen Zeit.

In Hinblick auf den Projektabschluss ist u.a. die Konzeption und Vorbereitung des Materials in Hinblick auf eine Ausstellung geplant. Hierbei soll u.a. ein konkreter Einblick in den mittelalterlichen Alltag beziehungsweise die alltägliche Lebensrealität der damaligen Zeitgenossen ermöglicht werden, wie er sich auf den untersuchten Greifensteiner Burgen abgespielt haben könnte. Auch auf anderem Wege überlieferte Realien (vgl. etwa Teilprojekt Nr. 9) können hierbei ergänzend einbezogen werden.

Einbeziehung weiterer Objekte ohne zuvor konkret beschriebenes Teilprojekt:

Aufgrund der modularen Konzeption des Gesamtprojekts können perspektivisch diverse weitere Teilprojekte integriert werden, die im Rahmen der vorangehenden exemplarischen Aufstellung bislang nicht aufgeführt sind. Geplant sind in diesem Zusammenhang u.a. eine ausführliche Sichtung des Materials zur „Oberen Burg“ in Pfullingen, eine bauarchäologische Analyse der Reste des Klosters Pfullingen – nicht zuletzt mit Blick auf die erkennbaren Wechselwirkungen zwischen diesem und den Herren von Greifenstein, eine geophysikalische Untersuchung der kaum bekannten Burgstelle „Hochbiedeck“ sowie eine gezieltere bauarchäologische Untersuchung und Einordnung der mittelalterlichen „Wehrkirche“ in Unterhausen. Fernerhin ist ein Einbezug der sogenannten „Rempenburg“ in Pfullingen sowie auch der beiden Lichtensteiner Burgen anzustreben, ebenso eine genauere Untersuchung der Holzelfinger St. Blasius Kirche. Auch die hochmittelalterliche Baustruktur Pfullingens und dessen auffallend stadtähnlicher Charakter gegen Ende des 13. Jahrhunderts werden in Hinblick auf die Herren von Greifenstein als gestaltende Akteure innerhalb jenes Talraums sowie auch in Bezug auf eine gewisse Konkurrenzsituation gegenüber der Reichsstadt Reutlingen – auch in Hinblick auf jüngere archäologische Erkenntnisse zum mittelalterlichen Siedlungsbild – näher zu beleuchten sein. In Bezug auf die „Greifensteiner Kulturlandschaft“ als Gesamtkonstrukt wird zudem verschiedenen ökonomischen Strukturen und spezifischen Nutzungsformen gezielter nachzugehen sein, wie beispielsweise mehreren Mühlenstandorten entlang der Echaz oder herrschaftlichen, teils agrarisch geprägten Nutzflächen als Teil des unmittelbaren Burgzubehörs. Durch den Schulterschluss mit eng verwandten Partner-Projekten können zudem weitere thematische Aspekte zusammengeführt werden, etwa zu historischen Waldnutzungsformen oder der gezielten Wiesenbewässerung in der Echazaue.

Eng ineinandergreifende sowie aufeinander aufbauende Teilprojekte (Nr. 1 – 10) als Grundlage für ein umfangreiches und öffentlichkeitswirksames Vermittlungskonzept (Nr. 11) zum Projektabschluss. Weitere Teilprojekte (N.N.) können ergänzt werden.

Vermittlung und Projektabschluss – Vorläufige Konzeption zu Teilprojekt 11

Ausarbeitung eines Vermittlungskonzepts über mehrere Ebenen auf Grundlage aller Teilprojekte, um die Ergebnisse des Gesamtprojekts öffentlichkeitswirksam und nachhaltig zu präsentieren und zu vermitteln.

Eine detaillierte Ausarbeitung des Vermittlungsteils kann erst in der Abschlussphase des Gesamtprojekts und in enger Kooperation mit den jeweiligen Projektpartnern erfolgen, sodass die vorliegende Teilprojektskizze lediglich als eine Vorstellungshilfe beziehungsweise als ein erster und letztendlich vielfältig anpassungsfähiger und modifizierbarer Entwurf zu verstehen ist.

Im Rahmen mehrerer kleinformatiger, projektbegleitender Beiträge sowie schließlich in Form einer umfassenden monographischen Publikation in Buchform zum Projektende sollen die Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Hierbei wird neben dem stets zugrunde zu legenden wissenschaftlichen Anspruch insbesondere auch eine gute Zugänglichkeit für ein breites, geschichtsinteressiertes und nicht-wissenschaftliches Publikum zu gewährleisten sein. Durch die breite thematische und interdisziplinäre Aufstellung des Gesamtprojekts soll hierbei ein umfassender Einblick in die Geschichte der bis heute in den Echaztalorten identitätsstiftenden Adelsfamilie der Herren von Greifenstein ermöglicht werden. Der Bogen soll dabei weit gespannt werden und thematisch unter anderem von „Burgenbau und Klostergründungen“, über „Verkehrswege und Raubrittertum“, „Siedlung und Kulturlandschaft“, „Konkurrenz und  Koexistenz“, bis zu „unmittelbaren Einblicken in das Alltagsleben der damaligen Menschen“ beziehungsweise alltäglichen Aspekten, wie „Ernährung, Kleidung, Handwerk, etc.“ reichen.

Zugleich sollen die Ergebnisse im Rahmen einer musealen Sonderausstellung vor Ort sowie weiterer begleitender Events einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Hierbei können zahlreiche „Greifensteiner Realien“ eingebunden werden, wie beispielsweise zeitgenössische Schriftstücke, Urkunden und Siegel, Relikte des täglichen Lebens, wie Geschirrkeramik, Werkzeug, aber auch Elemente von Rüstung und Bewaffnung. Auch bauliche Bestandteile, wie etwa Teile von Dachdeckungen, Fensterverglasung oder Bruchstücke von Kachelöfen als Relikte gehobener Wohnkultur der ehemaligen Burgen und Klosteranlagen sind vorhanden. Durch das Hinzuziehen historischer bildlicher Darstellungen sowie hochwertiger und wissenschaftlich fundierter Rekonstruktionen kann so nicht nur ein ganz unmittelbarer Einblick in den Alltag der Menschen des Hoch- und Spätmittelalters ermöglicht werden, sondern auch in den Prozess des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns selbst.

Fragmente von Nuppengläsern aus dem Kontext der Greifensteiner Burgen – Darstellung eines Nuppenbechers im Codex Manesse (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848) – Moderne Rekonstruktion eines Nuppenberchers im Rahmen einer Living-History-Veranstaltung

Durch die Präsentation der Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen können neue Erkenntnisse in Bezug auf die lokale Kulturlandschaft aufgezeigt und ein direkter Einblick in die Methoden der modernen Mittelalterarchäologie gewährt werden. Durch den gezielten Einsatz hochwertiger und projektbezogener Living-History sowie begleitender Museumspädagogik kann perspektivisch eine weitere erlebnisorientierte und im Regelfall äußerst öffentlichkeitswirksame Vermittlungsebene ergänzt werden. Eine solche vermag den Zugang zu entsprechenden historischen Inhalten insbesondere für ein jüngeres, auf anderem Wege oft nur schwer zu erreichendes Publikum beträchtlich zu erweitern. Um die erarbeiteten Ergebnisse schließlich auch langfristig, nachhaltig und – aus aktuellem Anlass vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – dezentral nutzbar zu machen, ist die Konzeption einer virtuellen Ausstellung geplant, die mittels einer Webseite in das digitale Vermittlungskonzept des Kreisarchivs Reutlingen eingebunden werden kann.

Vor Ort soll eine Beschilderung der einzelnen Objekte der Greifensteiner Herrschaftsausübung erfolgen. Aktuell sind dort zumeist keine oder lediglich sehr knappe Beschilderungen vorhanden, ausführliche Informationstafeln fehlen dagegen fast durchweg. Mittels einer einheitlichen thematischen Beschilderung an den jeweiligen Objekten lassen sich weitreichendere kulturhistorische Zusammenhänge vermitteln und die Kulturdenkmale können direkt vor Ort erläutert werden. Durch den Einsatz aussagekräftigen Bildmaterials beziehungsweise fundierter Rekonstruktionszeichnungen, basierend auf den durchgeführten Untersuchungen, kann zudem ein Bewusstsein des Betrachters für das heute ohne Fachkenntnis oftmals kaum mehr zu erahnende Erscheinungsbild der einstigen Bauwerke und Kulturlandschaftselemente geschaffen werden. Digital erarbeitete 3D-Modelle und Rekonstruktionen können hierbei als aussagekräftige Vermittlungsebene fungieren.

Aufbauend auf eine entsprechende Beschilderung soll in enger Kooperation mit lokalen Partnern eine Konzeption projektbezogener „Themenwanderwege“ erfolgen. Anhand dieser können die Geschichte und die Archäologie der Herrschaft Greifenstein nachverfolgt und aktiv erlebt werden. Auch bereits bestehende Themenwanderwege, wie der „Pfullinger Sagenweg“ oder der „Burgenwanderweg“ des Schwäbischen Albvereins können hierbei ggf. miteinbezogen beziehungsweise um weitere thematische Aspekte ergänzt werden. Um auch moderne Informationsmöglichkeiten zu integrieren, ist in diesem Zusammenhang die Erstellung einer App geplant, mithilfe derer eine zusätzliche digitale und interaktive Vermittlungsebene vor Ort ergänzt und insbesondere auch ein jüngeres Publikum angesprochen werden kann.

Rekonstruktionszeichnung
Oberer Greifenstein (Koch, 1925)
Hochmittelalterlicher Steinkeller aus
Pfullingen (Goldstein/Maurer, 2015)

Die Vermittlung der Ergebnisse soll nicht zuletzt im Rahmen verschiedener populärwissenschaftlicher Vorträge und Führungen vor Ort für verschiedene Interessensgruppen erfolgen sowie auch im Rahmen von Fachtagungen einem wissenschaftlichen Publikum zugänglich gemacht werden. Erste bereits mit lokalen Vereinen durchgeführte Exkursionen, die Integration zweier Burgführungen in das Programm des „Kultursommers 2020“ des Landkreises Reutlingen sowie mehrere gut besuchte öffentliche Führungen über die Ausgrabungsstättenen am Brudersteig und an der Burgstelle Stahleck zeigten bereits deutlich auf, dass diesbezüglich ein großes regionales Interesse vorhanden ist. Zahlreiche Presseberichte generieren darüber hinaus bereits seit der Anfangsphase des Projekts eine große Reichweite über die lokalen Medien.

Führung an der Burgstelle Unterer Greifenstein im Rahmen des Kultursommers 2020 – organisiert und durchgeführt in Kooperation zwischen dem Kreisarchiv Reutlingen und dem Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein